Folgende Artikel wurden im Monat Oktober 2008 veröffentlicht:

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Es gibt immer noch mehr. Keine Darstellung, keine Abbildung, kein Modell, keine Theorie kann alles erfassen. Dieser Grundsatz ist so elementar, dass er „logisch“ zu nennen ist.

So kann kein System, mag es auch aus noch so wenigen Axiomen und einfachsten Regeln konstruiert sein, mit wirklich nichts anfangen, sondern muss immer schon unendlich viel voraussetzen. Was das im Einzelnen ist, kann nie angegeben werden.

Jede vermeintliche Leere muss erzeugt und bewahrt werden; schützende Hüllen, die größtmögliche Isolation gewähren, sind real und haben fundamentalen Einfluss auf alles, was in ihnen geschieht — sonst würden sie nicht gebraucht.

Selbst die Welt des Geistes ist nicht vollkommen anders, sondern durch und durch mit dem materiellen Leben verwoben.

Zu anders

All das, was scheinbar nicht präsent — doch gleichwohl wirksam — ist, existiert nicht als konkretes Ding. Es ist irgendwo dazwischen, zwischen den Dingen. Es ist der Zwischenraum, seine Substanz. Es ist das, was den Raum ausmacht.

Als solches ist es ungreifbar — es sei denn, es wird zu einem Etwas, einem Ding. So können viele Dinge aus dem Raum hervortreten. Letztlich besteht Raum aus nichts anderem als irgendwelchen Dingen, die nur nicht gesehen werden können — im Moment. Vielleicht sind sie zu klein, zu groß, zu weit entfernt, zu nah dran, zu bekannt, zu fremd, zu viele …

Dennoch sind sie irgenwie da und beeinflussen die Dinge, die gesehen werden können. Deshalb geben wir ihnen einen Namen, als Ganzes. Hier, in diesem Kontext, nennen wir es „Raum“. (Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es auch das ist, was wir „Wissen“ nennen. Und „Aktivität“. Und natürlich „Ding“e.)

Unterwegs verloren

Wissenschaft ist nicht nur Theorie, sondern auch Praxis; und als solche bleibt sie immer ganz nah an der Wirklichkeit und am Erleben. Der theoretische Teil jedoch ist ständig in Gefahr, den Kontakt zu verlieren.

Zum Beispiel wenn versucht wird, die Idee eines einzigen allumfassenden Systems zu realisieren, das aus wenigen einfachen Grundbausteinen bestehen soll: früher oder später ufert dessen Komplexität unweigerlich aus. Endlos aneinandergereihte Folgerungen führen zu keinem konkreten Ergebnis. Die Wahrheit, die durch sie garantiert und verwirklicht werden sollte, geht unterwegs verloren. Denn sie kann die Szene nur durch den anderen Eingang betreten, durch die Erfahrung der Wirklichkeit.

Existenz braucht keine Rechtfertigung. Sie erscheint. Jenseits jeder Begründung und Beschreibung. Aber sicherlich nicht ohne Grund und die geeigneten Umstände. Nicht außerhalb ihres Raumes, wie wir sagen wollen.

Integrierte Grenzen

Jedes Ding hat seinen Raum — und doch gibt es nur einen Raum, den Raum, denn dieser ist unendlich. Alles, was ist, ist Teil von ihm, ein Ding in ihm.

Dinge sind in gewisser Weise das Gegenteil vom Raum — ist jener offen und unendlich, so sind diese eher begrenzt und geschlossen. Insofern teilen sie ein Stück vom Raum ab. Und genau auf diese Weise ist der Raum doch irgendwie begrenzt: durch die Dinge. Durch sie kann er verlassen werden — und ein anderer betreten.

Das, was so betreten wird, ist der Raum des Dinges. Doch was zunächst als geschlossener Innenraum erscheint, erweist sich, einmal betreten, als der unendliche Raum selbst, das Universum. Denn von innen sind keine Grenzen zu erkennen.

Wo sind sie hin? — Nun, ganz einfach: sie sind wiederum in den Dingen dieses Raums verkörpert; und damit vollkommen integriert, ja, die eigentliche Substanz des Raums.

Abstrakte Objekte

Spätestens seit den Entdeckungen der Mechanik ist es in der Physik (und anderen Wissenschaften) üblich, alles Geschehen auf interne Kräfte zurückzuführen. Alles, was irgendwie wirksam ist, ist in den beobachtbaren Dingen verkörpert.

Modernere Entwicklungen wie etwa die Relativitätstheorie(n) können so interpretiert werden, dass sie diese Sichtweise verlassen und das Augenmerk viel mehr auf sogenannte „Felder“ und derartiges richten. Das kann so weit gehen, dass physikalische Objekte nur noch als spezielle Zustände einer Art Raum angesehen werden.

Logisch ändert sich für uns dadurch allerdings grundsätzlich nichts. Denn was immer an die Stelle der traditionellen physikalischen Objekte tritt: es muss sich dabei im Sinne der X-Logik um Dinge handeln, egal ob wir sie „Räume“, „Felder“ oder sonstwie nennen. Selbst wenn vollständig auf materielle Deutungen verzichtet wird und nur noch von mathematischen Objekten wie etwa „Tensoren“ die Rede ist. Ja, sogar die physikalischen Gesetze selbst sind derartige Dinge. Mit den entsprechenden Räumen.

Rein und raus

Wir haben früher schon eine Art Bewegung angedeutet, die als Eindringen in ein Ding oder dessen Analyse beschrieben werden kann. Wenn wir uns einem Ding immer mehr nähern, erkennen wir womöglich so etwas wie eine interne Struktur oder gar ein regelrechtes Innenleben voller Aktivität. Vielleicht entdecken wir gewisse Regelmäßigkeiten, einen Plan, nach dem alles aufgebaut ist, oder ein Programm, das alles steuert.

Doch je mehr wir alles vergrößern, also je tiefer wir eindringen, desto mehr verlieren wir den Blick für das Ganze. Stattdessen befinden wir uns mitten drin im unendlichen Raum, umgeben von den vielfältigsten Dingen, mit ihnen interagierend.

Von hier ausgehend, können wir jetzt sozusagen den umgekehrten Weg beschreiten: wir können in dem geschäftigen Treiben um uns herum Muster erkennen, Regelmäßigkeiten, vielleicht sogar Gesetze. Womöglich wird ein Plan sichtbar, nach dem alles funktioniert, der allem zugrunde liegt. Doch indem wir das Ganze als Ganzes erfassen, erkennen wir schließlich, dass es nur eines unter vielen ist, ein Ding.

Bezugsraum

Im Rahmen der Relativitätstheorie wurde der „zu einem Körper A gehörige Raum“ ursprünglich „Bezugsraum“ genannt. Heute ist eher der Ausdruck „Bezugssystem“ gebräuchlich. Hier soll aber der zitierte Ansatz zu einem allgemeinen Raum-Begriff erweitert werden. Dazu greifen wir die Idee auf, dass der sogenannte „Bezugskörper“ definitionsgemäß in seinem Raum immer im Zustand der Ruhe ist.

Dieses Konzept wird nun derart verallgemeinert, dass für jedes Ding gilt, dass es in seinem Raum keinerlei Veränderung unterworfen ist, also immer dasselbe bleibt.

So gesehen ist das Ding in seinem Raum quasi nicht vorhanden; es ist vollkommen passiv und tritt nicht in Erscheinung, kann also auch nicht beobachtet werden. Wohl aber alle anderen Dinge, und zwar „objektiv“ insofern, als das zentrale Ding der unbewegliche, sozusagen „neutrale“ Beobachter ist. In Bezug auf diesen werden alle Dinge bestimmt. Der Raum aber ist die Reflexion dieser Relationen, in ihm werden die Eigenschaften aller anderen Dinge — in Bezug auf das fokussierte Ding — dargestellt.

Begegnungen

Die Existenz eines physikalischen Objekts äußert sich in seinen Begegnungen — oder, wie häufig gesagt wird, seinen Interaktionen — mit anderen. In ihnen tritt es in Erscheinung. Aus seinen Wirkungen auf andere, den Veränderungen, die es hervorruft, kann auf seine eigenen Eigenschaften — und damit auf seine Existenz — geschlossen werden.

Einige dieser Aufeinandertreffen können das Ding selbst derart stark verändern, dass es nicht dasselbe bleibt. Vielleicht zerfällt es in mehrere andere; oder es verschmilzt mit einem anderen zu einem neuen; oder es wird von dem anderen absorbiert; vielleicht verschwindet es auch vollständig, löst sich in Strahlung oder so auf (obwohl auch diese als aus — etwas seltsamen — Objekten bestehend verstanden werden kann).

Aber im Allgemeinen verändern Kontakte mit anderen Dingen ein Objekt nicht zu gravierend, so dass es nicht nur danach noch dasselbe bleibt, sondern auch dazwischen. Zumindest wird das vermutet; genau genommen kann seine Existenz zwischen seinen Interaktionen — und damit ohne sie — nicht nachgewiesen werden und bleibt deshalb unbestimmt.

Heimliche Überwachung

Die meisten Begegnungen mit anderen Objekten berühren und beeinflussen einen physikalischen Körper in keiner Weise. So wird er, gemäß einer gängigen Vorstellung, zeit seines Lebens von Photonen, den sogenannten Licht-Partikeln, und anderen Quanten-Objekten bombadiert — ohne nennenswerte Auswirkungen. Auch deshalb ist Beobachtung möglich: sie zeigt die Dinge, wie sie sind — und lässt sie so.

In diesem Sinne findet sie eigentlich gar nicht statt, Beobachtung existiert sozusagen überhaupt nicht. Und genau deshalb, weil sie nicht ins Gewicht fällt, kann sie ständig stattfinden.

Tatsächlich werden physikalische Ereignisse, wie etwa die Bewegungen eines physischen Körpers, so behandelt, als ständen sie ständig unter Beobachtung. Als gäbe es zu jedem Zeitpunkt an einem genau bestimmten Ort eine bestimmte Geschwindigkeit (und so weiter). Jeder Zustand des Objektes ist vollständig definiert — ob das in der Praxis möglich ist oder nicht. Das Objekt ist die Summe seiner definierten Zustände oder Erscheinungen, die als infinitesimal (das heißt: von unendlich kleiner Ausdehnung) angesehen werden. Sie machen seine Existenz aus.

Unterbrechungen

Zu einem ständigen Auftauchen gehört notwendigerweise ein ständiges Verschwinden. Zwischen den Erscheinungen eines Dinges, mögen sie auch infinitesimal sein, muss es Lücken geben. Diese Lücken sind zwar traditionell kein Thema für die Physik, aber eigentlich von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglichen das Einwirken äußerer Kräfte, die eine Veränderung der ansonsten gleichförmig-gradlinigen Bewegung eines Körpers herbeiführen können. Nur weil diese Bewegung überall unterbrochen ist, kann sie so flexibel sein, auf alles reagieren, sich allem anpassen.

Wenn aber die Bewegung immer wieder unterbrochen ist — wie kommt es, dass sie normalerweise immer gleich bleibt? Und wohin verschwindet der Körper zwischenzeitlich? — Nun, auf beide Fragen gibt es im Prinzip dieselbe Antwort: das Ding löst sich auf in seinen Raum, doch dieser ist ein ganz spezieller, mit einer spezifischen Struktur, die bewirkt, das immer wieder dasselbe Ding entsteht.

Der Raum ist sozusagen das Programm. Und die Struktur ist vielleicht eine bestimmte Routine, die immer wieder initiiert wird und stets dieselbe Ausgabe, dasselbe Ding, produziert. Dazwischen aber übernimmt immer wieder das Programm die Kontrolle, zum Beispiel um zu horchen, ob neue Benutzereingaben erfolgt sind, die eventuell die Routine beeinflussen.

Weiter Raum

Dinge treten aus dem Raum hervor. Bislang zwar irgendwie unsichtbar, waren sie doch immer schon da. Dies soll sogar für den Fall gelten, dass ein Ding zum ersten Mal erscheint, also gerade erst entstanden ist.

Dafür muss der Begriff des Raums allerdings viel weiter gefasst werden, als normalerweise üblich. Und genau das tun wir; das ist unser Konzept.

Auf diese Weise wird der gewöhnliche dreidimensionale Raum zu einem Teil des Ganzen, zu einem Unterraum. Es gibt viele derartige Teilräume. So wird etwa vom Raum der Physik oder der Mathematik gesprochen, aber auch zum Beispiel von einem sozialen Raum, einem psychologischen, einem biologischen, ökologischen und so weiter.

Jeder dieser Räume entspricht einer bestimmten Betrachtungsweise, oft einer wissenschaftlichen, und kann „Wissensraum“ genannt werden.

Das Ganze aber, die Vereinigung aller Räume, nennen wir den „Raum des Wissens“ oder auch einfach nur „den Raum“.