Folgende Artikel wurden im Monat April 2008 veröffentlicht:

Worum geht’s?

Um Räume des Wissens. Dieser Begriff wird hier so verstanden, dass nahezu jede Darstellung von Wissen darunter fallen kann. Wissen bildet also immer eine Art Raum, es kann immer als solcher betrachtet und beschrieben werden.

Was lässt sich nun allgemein zu diesen Wissensräumen sagen? Gibt es womöglich sich wiederholende Muster, durchgängige Strukturen, verbindliche Regeln, gar grundlegende Gesetze?

Davon gehen wir aus. Und nur das macht unsere Untersuchungen sinnvoll.

Alles, was hier dargelegt werden kann, ist naturgemäß nicht wirklich neu. Es muss immer schon so dagewesen sein. Und ganz bestimmt ist auch längst Vielen hier und dort das eine oder andere aufgefallen. Nur als Ganzes vielleicht noch nicht so recht. Dass aber gerade eine solche Betrachtungsweise nötig – und auch möglich – ist, wird sich zeigen.

Grundlegendes

über Wissensräume kann hier fürs Erste natürlich nur angedeutet werden. Im Prinzip ist zwar alles ganz einfach, aber sicherlich werden immer neue Fragen auftauchen und nach neuen Antworten verlangen. So dass alles immer komplizierter zu werden droht. Nicht jede Information trägt jederzeit zur Erhellung bei, vieles verwirrt, wenn es gerade nicht angebracht ist.

Womit wir auch schon mittendrin sind, ohne es noch recht zu ahnen. Denn obige Feststellung ist keineswegs eine oberflächliche Plattitüde, sondern tatsächlich ein Grundgesetz des Wissens. Sozusagen ein logisches Prinzip.

Es kann Einfachheit genannt werden. Wissen muss einfach sein. Vereinfachung ist wesentliches Element jeder Gewinnung von Wissen. Erkenntnis muss einfache Formen finden. Nur diese können begriffen und effektiv benutzt werden.

Was uns zum nächsten Grundprinzip bringt, dem der Anwendung. Wissen, das nie benutzt wird, kann schlecht Wissen genannt werden. Damit es aber gebraucht werden kann, muss es reproduzierbar sein. Sein Gebrauch reproduziert es. Wissen vervielfältigt sich also.

Diese beiden Prinzipien beschreiben zwei gegenläufige Bewegungen, die manchmal zum Beispiel als Kontraktion und Expansion erscheinen mögen. Erstere führt zur Herausbildung von einfachen Dingen, Letztere aber zu deren Ausbreitung und Verteilung im Raum.

Wir haben also als konstituierende Merkmale von Wissen zwei grundsätzliche Kräfte oder Aktivitäten gefunden, die im Zusammenspiel Raum erzeugen und strukturieren.

Nicht schlecht für den Anfang.

Weitergehendes

Haben wir erst einmal eine Gesetzmäßigkeit gefunden, schauen wir, wo wir das neue Muster noch überall entdecken können. Unser Blick auf die Dinge verändert sich, wir sehen sie mit neuen Augen, in einem neuen Licht. Vieles kann plötzlich klarer werden, endlich einen Sinn ergeben.

Es versteht sich aber von selbst, dass das nicht ewig so weitergeht. Irgendwann erkennen wir die Begrenztheit auch der neuen Sichtweise. Die dann genau das geworden ist: eine (gar nicht mehr so neue) Sichtweise. Eine Brille, die durchaus auch mal abgenommen werden sollte.

Im Prinzip ist Wissen unendlich nutzbar. Es wird durch seine Anwendung nicht verbraucht. Sein Raum ist also grundsätzlich unbegrenzt. – Andererseits findet der Gebrauch von Wissen immer schon in einer Umgebung, einem Raum, statt. Anwendung ist Interaktion mit der Umgebung. Und nicht jede ist gleichermaßen gut geeignet. Wissen passt nicht überall. In diesem Sinne haben Wissensräume sehr wohl Grenzen.

Aber nicht von sich aus. Eine bestimmte Art zu sehen kann nichts sehen, was unsichtbar für sie ist. Eine beschränkte Erkenntnis umfasst nicht ihre eigenen Schranken. Deren Erkenntnis ist eine neue Erkenntnis.

Wie dem auch sei, im Allgemeinen sind wir viel mehr interessiert an der neuen weiten Perspektive und den sich dadurch eröffnenden Möglichkeiten, als an der Begrenztheit der alten. Wir erinnern uns kaum an sie, sobald sie vergangen ist.

Obwohl… wohin ist sie eigentlich gegangen? Existiert sie noch irgendwo? Und was ist mit all den endlosen Räumen? Und dem Wissen – dem zurückgelassen – wie auch dem noch nicht erreichten…

Wen kümmert’s?

Konfrontationen

Wissen ist immer ganz und allumfassend. Sowie etwas Neues entdeckt wird, gehört es auch schon dazu.

Andererseits zeigt gerade die Tatsache, dass immer wieder Neues entdeckt werden kann, dass alles Wissen irgendwie beschränkt ist.

Traditionell lösen wir diesen Widerspruch dadurch auf, dass wir von einem Fortschritt des Wissens ausgehen. Die Grenze des Wissens ist seine Frontlinie, die immer weiter ins Unbekannte verlagert wird. Das Wissen wächst dadurch kontinuierlich.

Dieser Ansatz hat etwas aggressiv Expansives. Widerstände müssen überwunden werden, der Kampf geht nie zu Ende, der Feind ist überall. Er zeigt sich nicht nur draußen, im noch nicht Bekannten, sondern auch im Innern lauert er und heißt dort Vergessen. Wie leicht kann sich das mühselig Gewonnene in nichts auflösen! Letztlich zeigt die Erfahrung, dass das nicht wirklich zu verhindern ist. Aber akzeptieren tun wir es deshalb noch lange nicht. Es ist einfach nur eine Schwäche. Und jede Schwäche kann und muss besiegt werden.

Das ist geradezu ein Naturgesetz. So läuft das nun einmal. Nur das Stärkste, das am besten Geeignete, wird überleben. Das gilt auch – und ganz besonders sogar – fürs Wissen. Schließlich muss echtes Wissen wahr sein. Es gibt nur ein Wissen, das wahre. Wissen kann nie falsch sein. Was sich als falsch erwiesen hat, war letztlich kein Wissen. Echtes Wissen duldet kein anderes neben sich. Alles andere, was nicht mit unserem fundierten Wissen übereinstimmt, ist nur Illusion, selbst wenn andere es zu wissen glauben. Was aber wahr ist, gehört automatisch dazu.

Nicht zuletzt diese Haltung hat dazu geführt, dass wir immer mehr Wissen angehäuft haben. Und die Methoden dafür immer weiter perfektioniert. Auch das Verschwinden von Wissen, das Vergessen, haben wir immer weiter zurück gedrängt. Etwa durch neue Medien, die es uns erlauben, Wissen in neuen Formen darzustellen und dauerhaft zu speichern.

Doch gerade auch durch deren Gebrauch zeigt sich ein ganz anderes Gesicht des Wissens. Es zeigt sich, dass Wissen viele Gesichter hat. Die keineswegs alle in dieselbe Richtung schauen. Und gerade das macht Wissen aus! Die Vielfalt, die verschiedenen Blickwinkel und Perspektiven. Erst zusammen zeichnen sie ein Bild, das kein einzelnes Bild je wiedergeben kann.

Das eigentliche Wissen ist das, was alles umfasst, das Ganze – und gerade deshalb gibt es kein einzelnes umfassendes Wissen, sondern einen grundsätzlichen echten Pluralismus. Mit Gegensätzen, die nicht wegzuwischen sind.

Unterschiede sind wesentlich für Wissen.