Konfrontationen

Wissen ist immer ganz und allumfassend. Sowie etwas Neues entdeckt wird, gehört es auch schon dazu.

Andererseits zeigt gerade die Tatsache, dass immer wieder Neues entdeckt werden kann, dass alles Wissen irgendwie beschränkt ist.

Traditionell lösen wir diesen Widerspruch dadurch auf, dass wir von einem Fortschritt des Wissens ausgehen. Die Grenze des Wissens ist seine Frontlinie, die immer weiter ins Unbekannte verlagert wird. Das Wissen wächst dadurch kontinuierlich.

Dieser Ansatz hat etwas aggressiv Expansives. Widerstände müssen überwunden werden, der Kampf geht nie zu Ende, der Feind ist überall. Er zeigt sich nicht nur draußen, im noch nicht Bekannten, sondern auch im Innern lauert er und heißt dort Vergessen. Wie leicht kann sich das mühselig Gewonnene in nichts auflösen! Letztlich zeigt die Erfahrung, dass das nicht wirklich zu verhindern ist. Aber akzeptieren tun wir es deshalb noch lange nicht. Es ist einfach nur eine Schwäche. Und jede Schwäche kann und muss besiegt werden.

Das ist geradezu ein Naturgesetz. So läuft das nun einmal. Nur das Stärkste, das am besten Geeignete, wird überleben. Das gilt auch – und ganz besonders sogar – fürs Wissen. Schließlich muss echtes Wissen wahr sein. Es gibt nur ein Wissen, das wahre. Wissen kann nie falsch sein. Was sich als falsch erwiesen hat, war letztlich kein Wissen. Echtes Wissen duldet kein anderes neben sich. Alles andere, was nicht mit unserem fundierten Wissen übereinstimmt, ist nur Illusion, selbst wenn andere es zu wissen glauben. Was aber wahr ist, gehört automatisch dazu.

Nicht zuletzt diese Haltung hat dazu geführt, dass wir immer mehr Wissen angehäuft haben. Und die Methoden dafür immer weiter perfektioniert. Auch das Verschwinden von Wissen, das Vergessen, haben wir immer weiter zurück gedrängt. Etwa durch neue Medien, die es uns erlauben, Wissen in neuen Formen darzustellen und dauerhaft zu speichern.

Doch gerade auch durch deren Gebrauch zeigt sich ein ganz anderes Gesicht des Wissens. Es zeigt sich, dass Wissen viele Gesichter hat. Die keineswegs alle in dieselbe Richtung schauen. Und gerade das macht Wissen aus! Die Vielfalt, die verschiedenen Blickwinkel und Perspektiven. Erst zusammen zeichnen sie ein Bild, das kein einzelnes Bild je wiedergeben kann.

Das eigentliche Wissen ist das, was alles umfasst, das Ganze – und gerade deshalb gibt es kein einzelnes umfassendes Wissen, sondern einen grundsätzlichen echten Pluralismus. Mit Gegensätzen, die nicht wegzuwischen sind.

Unterschiede sind wesentlich für Wissen.