Momente II

In diesem Sinne ist Gegenwart der Übergang von nicht wissen zu wissen. So wird Wissen erzeugt, in jedem Moment. Bei jeder Wechselwirkung. Durch Aktivität.

Unterschiedliche Konzepte

Es gibt viele verschiedene Vorstellungen und Begriffe von „Zeit“; dieses Wort wird auf vielfältige Weise gebraucht — nicht unbedingt immer in Verbindung mit Uhren.

Sehr oft werden damit Begriffe wie „Vergangenheit“, „Gegenwart“ und „Zukunft“ assoziiert. Selbst wenn diese sich auf einen bestimmten Punkt auf der durch Uhren definierten Zeitskala beziehen, bedarf das Konzept, das ihnen zugrundeliegt, im Allgemeinen keiner genauen Messungen; es geht nicht um exakt definierte Zeiträume.

Manchmal sind Vergangenheit und Zukunft einfach so etwas wie Richtungen, die von einem bestimmten Zeitpunkt aus gesehen werden, von der aktuellen Zeit, der Gegenwart, dem Jetzt. Allgemein wird aber eine noch weiter gehende, essenzielle Verschiedenheit zu Grunde gelegt: Vergangenes ist in gewisser Weise grundsätzlich anders als Zukünftiges.

Beide stehen in einem engen Verhältnis zum Wissen: Vergangenheit ist prinzipiell bekannt (oder zumindest erkennbar), Zukunft dagegen im Allgemeinen (noch) unbekannt.

Rhythmische Muster

Wenn alles beständig zwischen sein und nicht sein wechselt, zwischen an und aus, dann ist die Idee ganz verschiedener (sozusagen „paralleler“) Zeiten alles andere als abwegig.

Die Lücken sind nicht, sie existieren nicht, sie äußern sich lediglich als Übergang von einem Zustand zum anderen. (Die Existenz selbst, der Fluss der Zeit, kann also nie anders als kontinuierlich sein.) Von woanders aus betrachtet, einem anderen Zeitkontinuum, das in einem ganz anderen Rhythmus pulsiert, mag zwischen diesen verschiedenen Zuständen aber viel Zeit vergangen sein. Oder mehrere Perioden werden ganz und gar übersprungen.

Was in einem bestimmten Zeitkontinuum als konstantes Ticken der Uhren erscheint, kann in einem anderen vielleicht ein kompliziertes rhythmisches Muster darstellen. Sofern überhaupt eine Regelmäßigkeit erkennbar ist. Vielleicht ist da auch rein gar nichts.

Momente

Ein Ding tritt nur in seinen Wechselwirkungen in Erscheinung. Diese bestimmen seine Existenz, seinen Umfang, seinen Raum. Und seine Zeit: jede Wechselwirkung, jede Erscheinung eines Dinges, ist ein neuer Moment.

Zeit und Sein

Zeit wird bestimmt durch das Pulsieren der Dinge, ihr Werden und Vergehen. Alle Dinge entstehen jeden Moment aufs Neue. Sie treten in Erscheinung, interagieren mit anderem. Ohne dem würden sie nie existieren.

Kreis des Werdens

Dinge müssen sich ständig erneuern, sie müssen immer wieder neu entstehen, um zu sein. Ihr Potenzial wird geweckt, sie werden aktiv, sie treten in Erscheinung. Doch sie vergehen auch wieder. Sie geben sich hin — um zu werden, um zu sein.

Der Raum ist ein strukturierter Raum des Wissens, das Wissen äußert sich als Aktivität, gebiert das Ding — und geht wieder auf im Raum.

Pulsierende Dinge

Alles, was beobachtet und erkannt werden kann, erscheint als Ding. Dinge sammeln und verteilen. Sie sind Zentrum und Quelle von Kraft und Aktivität. Ihr Pulsieren hält die Welt in Gang. Und zusammen.

Geheime Zeichen

Jedes Zeichen ist die Aufforderung, seinen Sinn zu erfassen, den Schlüssel zu drehen und einzutreten in die verborgene Kammer. Es will uns leiten, das Richtige zu tun, seine Botschaft zu verwirklichen.

Jedes Wesen birgt ein solches Geheimnis.

Jedes Ding ist ein Tor zu einer neuen Welt.

Mathe-Kode

Mathematik wird gelernt, indem der richtige Gebrauch der mathematischen Ausdrücke gelernt wird. In diesem Sinne sind diese immer schon kodierte Handlungsanweisungen, Programme.

Mathematische Formulierungen

In den Naturwissenschaften sind wir es gewohnt, die Räume des Wissens mathematisch zu strukturieren. Wir suchen mathematische Formeln, die uns zeigen, wie die Dinge zusammenhängen.

Dies hat sich im Laufe der Zeit so entwickelt. Die Mathematik galt als optimale Darstellungsform von absolut zuverlässigem Wissen. Sie benutzt einfache grafische Symbole, die sich miteinander nach festen Regeln kombinieren lassen. Auf einer Schreibfläche, in der Regel innerhalb einer Zeile. Dies entspricht der üblichen Anordnung von Texten, der wohl am weitesten verbreiteten Art, Wissen zu speichern und zu vermitteln.

Mathematik reiht sich dort ein, wenn sie auch den normalen Textfluss oft stark behindert. Im Allgemeinen werden mathematische Ausdrücke möglichst getrennt von sprachlichen Äußerungen zu eigenen Gleichungssystemen und dergleichen kombiniert, deren Bedeutung sich den Eingeweihten auch ohne viele Worte erschließt. Sie haben den korrekten Umgang mit den Formeln gelernt.

Kurze Wege

Physikalische Formeln und Modelle repräsentieren Räume des Wissens. Diese sind so strukturiert, dass sie die relevanten Daten eng miteinander verknüpfen. Die Wege zwischen den Daten sind also sehr kurz und werden quasi automatisch begangen. Dadurch lassen sich entprechende Ereignisse, die sich in der Realität entscheidend langsamer entwickeln und viel aufwändiger sind, schnell und leicht vorhersagen.

Zusammenfassend

Wissen fasst zusammen, erfasst das Gemeinsame, macht es fest, macht es zu einem Etwas, einem Ding.

Dazu werden die verschiedenen Elemente zusammengeschoben. Was zunächst eine aufwändige Aktion sein kann, wird irgendwann zur Selbstverständlichkeit, zum Automatismus, zur spontanen Gleichzeitigkeit. So dass schließlich die verschiedenen Elemente unmittelbar nebeneinander zu liegen kommen.

Für alle anderen aber, die diesen Prozess nicht mitmachen, dieses Wissen nicht erwerben, ändert sich nichts an der ursprünglichen Anordnung.

So existieren verschiedene Räume (des Wissens) nebeneinander. Ohne dass sie aneinander grenzen.

Menschliche Realität

Die menschliche Wirklichkeit ist geprägt von gesellschaftlichen Verhaltensweisen und gemeinsamen Aktivitäten. Über die Sprache und viele andere Medien wird sie vermittelt und gestaltet. Dabei beschäftigt sich der Mensch hauptsächlich mit seinesgleichen. Sprache, Wissen und letztlich auch Wirklichkeit sind soziale Phänomene.

Ob wir wollen oder nicht — wir sind gezwungen, auch die nicht-menschliche Wirklichkeit mit den Augen zu sehen, die uns zur Verfügung stehen, und die nun mal entscheidend vom menschlichen Zusammenleben geprägt sind.

Und tatsächlich können wir feststellen, dass wir viel weiter reichen, dass unsere Verwandtschaft viel größer ist, als uns zunächst bewusst ist.

Die Identifikation mit dem Menschsein mag zwar schon ein Fortschritt sein gegenüber einer Beschränkung auf eine Nation oder so, letztlich ist sie aber doch auch genauso künstlich und begrenzt.

Abgrenzung ist sicherlich charakteristisch für das, was gewöhnlich Wissen genannt wird. Viel grundlegender ist aber das Gemeinsame. Um dieses zu kosolidieren, ist manchmal Abgrenzen angebracht. Es bleibt aber doch nur eine sekundäre Funktion, ein Produkt, nicht die Grundlage von Wissen.

Symbolisch handeln

Wissen beruht auf Konventionen des Handelns. Wir lernen, unser Wissen in der richtigen Weise anzuwenden. Erst dann besitzen wir es wirklich.

Sprachliche oder auch bildliche Ausdrucksformen des Wissens dienen als Anhaltspunkte, die es uns erleichtern, die richtigen Handlungen zu rekapitulieren. Sie können aber auch zum Selbstzweck werden, wenn unser Handeln sich fast nur noch auf diese Symbole bezieht. Auf diese Weise entstehen komplexe Gebäude, in sich geschlossene künstliche Welten.

Diese virtuellen Wirklichkeiten bündeln unsere Aktivität und übertragen die resultierende Energie auf jeden, der eine Funktion in ihnen übernimmt. Das macht die künstlichen Realitäten zu realen. Sie versorgen uns mit allem, was wir brauchen, und bilden unseren Zugang zu allen anderen Ebenen der Wirklichkeit.

Wissens-Modell

Die Suche nach Wissen ist meist die Suche nach einem Modell der Welt, das uns Aufschluss darüber gibt, wie wir am besten angepasst an unsere Bedürfnisse und die gegebenen Verhältnisse handeln können.

Ein solches Modell kann kommuniziert und gemeinsam ausgearbeitet werden, so dass wir unsere Kräfte bündeln und als ein Ganzes agieren können — wenn auch mit einer gewissen Verzögerung und gewöhnlich mit Reibungsverlusten.

So funktioniert explizites Wissen.

Konstruktion der Welt

Jedes Bild der Welt ist aktiv erzeugt. Selbst die scheinbar passive sinnliche Wahrnehmung ist in Wirklichkeit aktiv. Wie auch jede wissenschaftliche Messung. So ist alles, was wir über die Welt wissen, im Grunde eine Konstruktion.

Alles Reale ist konstruiert. Wir lassen es Wirklichkeit werden.